20 Jahre T-Aktie: Volkstrauertag für die Anlage-Kultur – und was Sparer daraus lernen sollten

Am 18. November ist es genau 20 Jahre her, dass die Deutsche Telekom an die Börse gegangen ist. Für Erstzeichner war die T-Aktie vom Kurs her ein nervenaufreibendes Nullsummenspiel. Nur dank der Dividenden steht unter dem Strich ein mageres Plus. Viel schlimmer: Der Börsengang war die Ouvertüre zu einem Debakel, das rechtschaffene Bürger um ihre hart erarbeiteten Spargroschen gebracht und die Aktie als Geldanlage nachhaltig diskreditiert hat. Gleichzeitig ist das „T-saster“ ein wichtiges Lehrstück für alle, die jetzt über Aktien-Investments nachdenken.

Berlin, 16. November 2016 | Am 18. November feiert die Deutsche Telekom ihr 20-jähriges Börsenjubiläum. Wobei – zum Feiern wird kaum jemandem zumute sein, der 1996 zum offiziellen Ausgabepreis von 28,50 DM oder umgerechnet 14,57 Euro zugegriffen hat und bis heute bei der Stange geblieben ist. Denn zwei Jahrzehnte später pendelt die T-Aktie nach wilder Berg- und Talfahrt wieder um ihren anfänglichen Kurs.

„Verdient haben die Aktionäre der ersten Stunde nur an der Dividende. Bislang hat der Konzern 18-mal ausgeschüttet, nur in der Krise 2003/04 sind die Anteilseigner gänzlich leer ausgegangen. Unter dem Strich summieren sich die zuletzt stets im Mai überwiesenen Gewinnbeteiligungen auf 11,19 Euro. Bezogen auf den Emissionskurs von vor 20 Jahren sind das immerhin 77 Prozent oder jährlich 2,8 Prozent. Davon wird man nicht reich, aber es ist eben auch kein totaler Reinfall“, sagt Christian W. Röhl, Gründer der unabhängigen Research-Plattform DividendenAdel.

Drei Börsengänge in vier Jahren

Den hingegen erlebten Anleger, die nicht von Anfang an dabei waren, sondern erst danach eingestiegen sind – über die Börse oder im Rahmen der späteren Platzierungen. „Im Juni 1999 etwa nutzte die Telekom die Gunst der Internet-Euphorie und besorgte sich ein zweites Mal frisches Geld vom Aktienmarkt. Nun allerdings lag der Ausgabepreis schon bei 39,50 Euro. Bis heute sind per saldo fast zwei Drittel des Kurswerts durch den Schornstein und selbst inklusive Dividenden liegt man immer noch knapp 40 Prozent in den Miesen“, erklärt Röhl.

Ein Jahr später hielt dann die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die Hand auf. Nachdem der Erlös der ersten beiden Börsengänge in die Kasse des Unternehmens geflossen war, wurden nun Aktien aus Staatsbesitz platziert – zum stolzen Preis von 66,50 Euro. „Da war es kein Wunder, dass der damalige Finanzminister Hans Eichel (SPD) besonders eifrig für die Emission trommelte, die für gutgläubige Sparer zu einem fatalen Rohrkrepierer wurde. Nach einem dreitätigen Ausflug in dreistellige Regionen war der Kurs der T-Aktie zweieinhalb Jahre später nur noch einstellig“, so Röhl. „Wer nicht schnell genug verkauft, sondern den Beschwörungen der Manager und Politiker geglaubt hat, dass die Telekom langfristig eine lohnende Geldanlage sein würde, sitzt heute auf 80 Prozent Verlust. Oder anders formuliert: Damit die Teilnehmer des dritten Börsengangs ihren Einstandspreis wiedersehen, müsste die T-Aktie sich nahezu verfünffachen“, rechnet der Finanzexperte vor.

Aktienkultur trotz Nullzins noch ein zartes Pflänzchen

Der Schaden für die Aktienkultur in Deutschland sei noch heute deutlich spürbar. Dass der DAX, der die 30 wichtigsten Börsenfirmen des Landes bündelt, allein in den letzten fünf Jahren über 70 Prozent zugelegt habe, sei den meisten Deutschen deshalb lange Zeit herzlich schnuppe gewesen. „Sie haben keine Aktien und kassieren keine Dividenden, sondern lassen sich mit mickrigen Zinsen abspeisen. Erst seit aus ‚mickrig’ in den letzten Monaten ‚nix’ geworden ist und Banken sogar als Gebühren etikettierte Strafzinsen verlangen, erlebt die Aktie eine zaghafte Renaissance“, sagt Röhl. Doch gerade weil die Anlage- und Aktienkultur noch ein ganz zartes Pflänzchen sei, dürfe die Sache nicht abermals schiefgehen.

Die sieben Lehren aus dem Desaster der T-Aktie

Gleichzeitig, so Röhl, sei die Börsen-Historie der Deutschen Telekom ein Lehrstück: „Man muss aus den Fehlern von einst die richtigen Schlüsse ziehen – und beispielsweise nie wieder allzu viel Geld auf einmal in Aktien pumpen oder sich von Vater Staat und prominenten Fernsehnasen zu Investment-Sünden verleiten lassen.“ Gleichzeitig sei die T-Aktie reif für einen gedanklichen Neustart, denn der Blick auf die alten Kurse sorge doch bloß für Frust. Insgesamt nennt der Kapitalmarkt-Praktiker sieben Lektionen, die Anleger künftig beherzigen sollten:

  1. Schritt für Schritt einsteigen | Ob Aktienkurse gerade hoch oder niedrig sind, weiß man immer erst hinterher. Alles Geld auf einmal zu investieren, bloß weil gerade wie einst bei der Telekom irgendeine Zeichnungsfrist tickt, ist deshalb Harakiri. Wer etwa jetzt 50.000 Euro aus einer Lebensversicherung ausgezahlt bekommt, das Geld aber erst in 10 bis 15 Jahren braucht, kauft erstmal nur Aktien für 10.000 Euro – und teilt den Rest auf drei oder vier Tranchen auf, die zu fixen jährlichen Terminen nachgeschossen und nur bei stärkeren Kursrückgängen vorzeitig abgerufen werden.
  1. Klumpenrisiken vermeiden | Nicht wenige Anleger waren von der rosaroten Zukunft dermaßen beseelt, dass nach dem dritten Börsengang ein Viertel oder gar ein Drittel ihres Vermögens in T-Aktien investiert war. Gerade der Fall des Rosa Riesen zeigt jedoch, wie gefährlich es ist, sein finanzielles Schicksal einer einzigen Firma auszuliefern. Deutlich mehr als drei Prozent vom Portfolio sollte deshalb auf keine Aktie entfallen. Ein systematisch über verschiedene Länder, Branchen und Währungsräume gestreutes Portfolio kommt mithin auf 25 bis 40 Positionen – was sich mit Blick auf die Ordergebühren erst ab Beträgen von mehr als 25.000 Euro lohnt. Wer diese kritische Größe nicht erreicht, greift lieber zu Fonds.
  1. Nicht auf Prominenz vertrauen | Dass viele Deutsche vor 20 Jahren erstmals dem Sparbuch untreu geworden sind und Aktien gekauft haben, lag nicht nur am Internet-Boom, sondern auch am kürzlich verstorbenen Manfred Krug. Wenn sogar der Kleine-Leute-Anwalt („Liebling Kreuzberg“) und „Tatort“-Kommissar seinen Namen für die T-Aktie gab, dann musste das ja etwas Ordentliches sein. Kein Wunder, dass Krug seinen Werbe-Einsatz später bitter bereute – ähnlich wie Moderator Johannes B. Kerner, der für die Aktien der flügellahmen Air Berlin getrommelt hatte, oder die Gottschalk-Brüder, deren Fans mit der Kampagne für den Börsengang der Deutschen Post auch erstmal über 50 Prozent Verlust einfuhren.
  1. Vater Staat ist kein Verbündeter | Wenn Regierungen das Tafelsilber verkaufen, sollten sie – im Interesse der Allgemeinheit – den Preis ausreizen. Doch was gut für die Staatskasse ist, schadet den privaten Aktionären. Das zeigt auch die bislang letzte börsliche (Teil-)Privatisierung in Deutschland: Die Aktien des Hamburger Hafen-Logistikers HHLA, nach wie vor zu 65 Prozent im Besitz der Hansestadt, kamen 2007 zu 53,00 Euro an die Börse und kosten derzeit mit 15,00 Euro noch weniger als auf dem Höhepunkt der Finanzkrise.
  1. Fette Dividenden als Warnsignal | Auch als Anteilseigner steht die öffentliche Hand nicht unbedingt auf derselben Seite wie die übrigen Aktionäre. Denn stets sind Haushaltslöcher zu beklagen, die sich mit üppigen Dividenden teilprivatisierter Betriebe trefflich stopfen lassen. Der frühere Chef-Telefonist René Obermann ließ sich vom Bund, der nach wie vor knapp ein Drittel der T-Aktien hält, sogar zu einer mehrjährigen Ausschüttungsgarantie hinreißen. Bei Kursen um 10,00 Euro lockte die Telekom auf diese Weise zwar mit Renditen von acht Prozent, doch wurden diese eben nicht operativ verdient, sondern aus der Substanz herausgeschnippelt. Bezeichnend: Nachdem Anfang 2014 Tim Höttges den Vorstandsvorsitz übernommen und die Dividende auf vernünftige 0,50 Euro gestutzt hatte, kletterte die T-Aktie binnen eines Jahres von 11,00 auf 17,00 Euro.
  1. Finger weg von neuen Aktien |Natürlich sind regelmäßige Börsengänge ein Indiz für einen funktionierenden Kapitalmarkt und eine prosperierende Volkswirtschaft. Doch die Parkett-Debütanten sind vor allem für Großanleger interessant, die ein Unternehmen genau durchleuchten und bei Bedarf auch Einfluss nehmen können. Privatanleger dagegen sollten nicht Versuchskaninchen spielen und lieber auf etablierte Unternehmen setzen, die schon mindestens einen kompletten Wirtschaftszyklus im Fokus der Börsenöffentlichkeit absolviert haben – so dass man zumindest grob abschätzen kann, wie krisenfest das Geschäftsmodell und wie verlässlich die Dividende ist.
  1. Mit der Vergangenheit abschließen | Die tragische Historie der rosaroten „Volksaktie“ darf nicht davon ablenken, dass die Deutsche Telekom spätestens unter der Ägide von Tim Höttges ein ganz normales Unternehmen geworden ist. Das auf den Netzbetrieb fokussierte Geschäftsmodell versprüht zwar wenig Glamour, sorgt aber für halbwegs planbare Cashflows. Zusammen mit dem Wachstumsträger T-Mobile US sollte das reichen, um auf absehbare Zeit stabile bis leicht steigende Dividenden zahlen zu können. Für Kurspotenzial, das signifikant über den 2015 ausgebildeten Widerstand bei 17,50 Euro hinausgehen würde, mangelt es dagegen an Phantasie. Wer noch Bestände aus „alten Zeiten“ hat, sollte deshalb einen gedanklichen Schnitt machen. Der Blick auf die alten Einstandskurse beschwört schließlich bloß immer wieder neuen Frust herauf.

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